Wenn der Apostel Paulus sagt: Lasst euch mit Gott versöhnen! (2 Kor 5,20) bedeutet das: Lernt von Gott neu und anders zu denken! Überwindet euer Zerrbild von Gott, eure Einbildungen, eure falschen Projektionen! Nehmt Gott so wahr, wie er wirklich ist. Gott will uns nicht klein machen. Er will uns weiten Raum zum Atmen und zum Leben schenken. Er will das nicht nur – er hat es in Jesus Christus auch getan. Gott bleibt uns wie der Vater dem verlorenen Sohn in dem bekannten Gleichnis Jesu verlässlich zugetan.
Manche ältere Christen sind, aus welchen Gründen auch immer, als junge Menschen in einem angstbesetzten religiösen Klima aufgewachsen – und haben sich später mit mancher Mühe daraus befreit. Dabei haben sie freilich oft das über Bord geworfen, was ihnen den Zugang zu einem versöhnten Leben gewährt: die Chance, zu beichten und mit Gottes Hilfe neu anfangen zu können. So bleiben sie mit sich und ihren Lebenslasten allein. Sie müssen verdrängen, was sie trotz aller zur Schau getragenen Souveränität verunsichert und beschwert. Dabei ist uns doch dieses einzigartige, menschenfreundliche Sakrament geschenkt. Wir dürfen bei Gott abladen. Wir können uns neu aufrichten lassen.
Meine Bitte ist: Lassen wir uns die Möglichkeit, mit dem Bußsakrament auch hilfreiche Erfahrungen zu machen, nicht entgehen. Wieder einmal beichten zu gehen, besonders wenn der Faden schon längere Zeit abgerissen ist, kostet sicher Überwindung. Da hat man Scheu wie vor einem längst fälligen Arztbesuch. Aber hinterher ist man dann doch froh.
Dort, wo der Gott und Vater Jesu Christi uns wieder neu und lebendig vor Augen steht, spüren wir, wer er für uns sein will: der barmherzige Vater. Vor ihm brauchen wir uns nicht ängstigen und nicht schämen.
Text: Bischof Joachim Wanke, Erfurt
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